Spurensuche an der Evangelischen Hochschule Darmstadt
(04.10.2022) Mit einer Jubiläumsveranstaltung begab sich die Evangelische Hochschule Darmstadt (EHD) auf Spurensuche ihrer eigenen Vergangenheit. Vor 51 Jahren wurde sie aus Vorgängereinrichtungen gegründet. Als Hessens einzige reine SAGE-Hochschule adressiert sie seit jeher die Professionalisierung der Sozialen Arbeit, Gesundheit und Pflege sowie Erziehung und Bildung.
In einem Impulsvortrag skizzierte Prof. Dr. Carola Kuhlmann (EH Bochum) die Entstehung und Entwicklung evangelischer Hochschulen in Deutschland. Der bundesweiten Bildungspolitik folgend wandelten auch die Landeskirchen ihre Höheren Fachschulen 1971 in den neuen Hochschultypus der Fachhochschule um. Kuhlmann ordnete dies in einen „Paradigmenwechsel der Diakonie hin zur evangelischen Sozialethik“, einer „Sozialdiakonie“ ein, die den Menschen in seinen sozialen und institutionellen Bezügen fokussiert. Der Ausbau des Sozialstaats in den 60er/70er Jahren machte eine akademische Professionalisierung diakonischer Arbeit erforderlich. Die Hälfte aller Studienplätze im Sozialwesen seien damals von konfessionellen Fachhochschulen vorgehalten worden.
EHD-Präsident Prof. Dr. Willehad Lanwer unterstrich, „dass die Fachhochschulen bzw. HAWs aufgrund ihrer Praxisnähe und Orientierung an klaren Berufsfeldern auch einen wichtigen Beitrag zur sozialen Durchlässigkeit leisten. Im Gegensatz zu den Universitäten stammt hier deutlich mehr als die Hälfte der Studierenden aus nichtakademischen Elternhäusern.“
Prof. Dr. Elke Schimpf und Prof. Dr. Birgit Bender-Junker, die ihre Forschungen zur wissenschaftlichen und institutionellen Karriere der Gründungsrektorin Waldtraut Krützfeld-Eckhard vorstellen, gehen zunächst auf die Bildungsbiographie der Gründungsrektorin Waldtraut Krützfeld-Eckhard ein: „Krützfeld-Eckhard hat 1933 das Abitur erworben und danach eine Ausbildung zur Säuglingspflegerin und Volkspflegerin absolviert bevor sie Ende der 1930er Jahre eine akademische Karriere als nationalsozialistische Weltanschauungswissenschaftlerin an der Universität Heidelberg einschlug. 1945 wurde sie entlassen und es wurde ihr ihre Habilitation aberkannt. In den 1950er Jahren begann sie als Dozentin und Direktorin der Vorgängereinrichtung der EFH zu arbeiten; wissenschaftliche Veröffentlichungen legte sie nach 1945 nicht mehr vor. Ihre Aktivitäten im Nationalsozialismus wurden von ihr tabuisiert und verdeckt.“
Dass in der Gründungsphase der Hochschule durchaus um demokratische Strukturen akademischer Selbstverwaltung gerungen wurde, wurde aus Beiträgen teilnehmender Zeitzeug:innen und Ehemaligen deutlich. Studentenproteste gab es wie in der gesamten Bundesrepublik auch an der EHD zu Beginn der 70er Jahre.
Prof. Dr. Alexa Köhler-Offierski, die die EHD von 1994 -2014 führte, sieht in den Absolvent:innen den eigentlichen „Schatz“ der Hochschule: „Viele Ehemalige haben selbst Jahre später noch eine enge Bindung zu ihrer Hochschule. Sie engagieren sich als Lehrbeauftragte im Praxistransfer, vermitteln den Studierenden den unmittelbaren Anwendungsbezug, oder leiten diese in einigen hundert Praxiseinrichtungen in deren studienintegrierten Praktika an.“
Die Spurensuche verdeutliche, so Tagungsorganisator Prof. Dr. Michael Vilain, Vizepräsident für Forschung und Internationales, dass „die Geschichte der EHD ein Stück weit auch ein Spiegel der Geschichte der Gesellschaft ist. Als SAGE-Hochschule gestaltet die Evangelische Hochschule Darmstadt seit mehr als 50 Jahren eine akademische Lebenswelt an der Schnittstelle zwischen Staat, Kirche und Praxis.“