Fachtag Internationale Behindertenpolitik

(Darmstadt, 09.07.2024) Auf Initiative der Evangelischen Hochschule Darmstadt (EHD) gründete sich im vergangenen Sommer das „Netzwerk Inklusion Rhein-Main“. Es versteht sich als ein Forum, das sich sowohl theoretisch als auch praktisch mit der Entwicklung einer inklusiven Gesellschaft auseinandersetzt. Am 4. Juli widmete sich ein erster Fachtag dem Thema „Internationale Behindertenpolitik“ und fand erfreulich großen Zuspruch.

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    Etwa 40 Vertreter*innen aus unterschiedlichen Handlungsfeldern der Behindertenhilfe nutzten das kostenlose Angebot und ließen sich über aktuelle internationale Politikfelder informieren. Die Studierenden des Bachelorstudiengangs Inclusive Education hatten anhand von wissenschaftlichen Postern tiefgehend zu Themen wie Gewalt, Freiheitsentzug und Zwangsmaßnahmen in Institutionen, zum neuen Barrierefreiheitsstärkungsgesetz oder zu Diskriminierungspraxen im Feld der europäischen Organtransplantation aufgeklärt. Zudem brachten Vertreter*innen aus der Praxis weitere Poster ein zu den Themen Schutzkonzeptentwicklung und Partizipationskonzepten in Einrichtungen. Die Anwesenden ließen sich sehr gerne auf die Beiträge der Studierenden ein und diskutierten leidenschaftlich die behindertenpolitischen Perspektiven. „Die Poster sind sehr hilfreich, um bestimmte Themen zu diskutieren“, so eine Teilnehmerin, die nachfragte, ob die Hochschule die Poster in digitalisierter Form zusenden könne.

    Als zentrale Themen des fachlichen Austauschs kristallisierten sich das „Menschenrechtliche Modell von Behinderung, sowie der Systemwechsel von einer institutionsorientierten zu einer personenzentrierten Eingliederungshilfe“ heraus. Das Menschenrechtsparadigma geht, so die Anwesenden, mit erheblichen Modernisierungsproblemen in den Praxisfeldern einher, die zu Fragen führen:

    Wie können die expliziten Rechtsansprüche unserer Mitbürger*innen mit Behinderung auch in Einrichtungen vollumfänglich gewahrt werden?

    Wie müssen sich soziale Dienstleister*innen verändern, um inklusive Teilhabeleistungen anbieten zu können?

    Wie kann dabei einem Rückfall in gewohnte Fürsorgepraxen entgegengewirkt werden?

     

    Einen praxisnahen Vorschlag führte Frau Dr. Grüber in ihrem Vortrag zur partizipativen Entwicklung von Selbstbestimmungs- und Schutzkonzepten in Organisationen aus. Aktionspläne, so Grüber, seien ein probates und in der Praxis bewährtes Mittel, um Menschen mit Behinderungen als Nutzer*innen sozialer Dienstleistungen ernst zu nehmen und zu ermächtigen. Aktionspläne in Einrichtungen, wie sie derzeit bei der Lebenshilfe Nürnberg entstehen (ein von der EHD/Prof. Dr. Groß begleitetes Forschungsprojekt im Zeitraum 2023 bis 2025), helfen einen partizipativen Change-Prozess nachhaltig in Gang zu setzen.

    Die Frage, wie die Entwicklung nachhaltiger inklusiver Strukturen im Rhein-Main Gebiet gestaltet werden kann und wie hier Hochschule und Organisationen in Zukunft zusammenwirken sollten, wurde im Anschluss gemeinsam diskutiert. Offensichtlich gibt es eine ganze Reihe von Akteur*innen im Feld, die aneinander vorbei oder sogar gegeneinander arbeiten. Für die gemeinsame Sache der Inklusion ist das wenig hilfreich.

    „Eine sehr wichtige Initiative und eine tolle Veranstaltung!“ so ein Gast des Landeswohlfahrtverbands (LWV) Hessen, der sich noch am selben Tag dem neu gegründeten Netzwerk Inklusion Rhein-Main anschloss. „Das freut uns sehr“, so Prof. Dr. Groß, Gründer des neuen Netzwerks. „Nach vielen Jahren der sozialpolitischen Debatten wird es in den kommenden zwei Jahrzehnten darum gehen, eine inklusiv(er)e Gesellschaft zu schaffen und zu gestalten. Dazu bedarf es eines Schulterschlusses sowohl zwischen den Anbieter*innen im Feld als auch zwischen Theorie (z.B. dem Studiengang Inclusive Education) und der Praxis (z.B. den Organisationen der Behindertenhilfe in der Region)“. Der Fachtag soll von nun an jährlich im Juli an der EH Darmstadt stattfinden und als ein konstruktives Forum für Inklusionsbefürworter*innen öffentliche Wertschätzung erfahren. Ob das gelingen wird hängt nicht zuletzt vom guten Willen der regionalen Netzwerker*innen ab.

    Bei einem Punkt ist sich Prof. Dr. Groß aber schon heute ganz sicher: Die Absolvent*innen des Studiengangs Inclusive Education an der EHD werden in der Lage sein, die anstehenden Veränderungsprozesse mit zu gestalten. Sie eignen sich das dafür notwendige Wissen und die dafür erforderlichen Kompetenzen in dem seit mehr als zwanzig Jahre bestehenden Studiengang an der EHD an. Die Poster, die die Studierenden des sechsten Semesters im Rahmen des Fachtags präsentiert haben, konnten das eindrucksvoll unter Beweis stellen.

    Das Netzwerk Inklusion Rhein-Main ist offen für neue Mitglieder. Bei Interesse wenden Sie sich an Herrn Prof. Dr. Peter Groß, EH Darmstadt.